Grußwort zu unserem Newsletter für März & April 2018

Eine Belgierin in Berlin – das ist es, was ich seit Beginn meiner Intendanz am HAU Hebbel am Ufer (2012) immer wieder über mich lese. Seit über 22 Jahren wohne ich nicht mehr in Belgien - davor war ich eine Belgierin in Rotterdam oder eine Flämin, da hieß es: mein Niederländisch hat doch so einen “niedlichen Akzent” – und seitdem begleitet mich diese Zuschreibung wie ein ‘Epitheton ornans’, wie ein sogenannter schmückender aber entbehrlicher Zusatz.

Was sagt mein Pass eigentlich über mich aus? Über meine Identität? Und wie beeinflusst es die Person, die ich heute bin? Wie ‘belgisch’ bin ich denn, oder was könnte das überhaupt sein, belgisch?

Ähnliche Fragen stellt sich auch der Künstler Jan Fabre in seiner jüngsten bildgewaltigen Inszenierung: Belgian Rules / Belgium Rules will keine Geschichte über Nationalismen sein, sondern eher eine Geschichte über die völlige Abwesenheit dieser klaren Zuschreibungen. Anhand einer leidenschaftlichen, ambivalenten Hommage greift Jan Fabre dafür in die Schatztruhen und ‘Schmutzkübel’ seines Geburtslandes und erzählt dessen Geschichte mittels heterogener Verweise auf die belgische Kunstgeschichte und Populärkultur – von Karneval und Burleske/ Groteske, von Hieronymus Bosch über Jan van Eyck bis René Magritte. Vielleicht vor allem von ‘Nicht-BelgierInnen’ unbeschwert zu genießen (16. und 17. März im HAU)?

Die Choreografin Meg Stuart ist keine Belgierin – und doch diesem Land auf besondere Weise verbunden. Das Klapstuk Festival in Löwen, wo ich damals arbeitete, zeigte 1991 mit “Disfigured Study” erstmals in Europa Stuarts Arbeit vor einem enthusiastischen Publikum. Die Begeisterung beruhte auf Gegenseitigkeit und Meg Stuart war so inspiriert von der blühenden Kulturlandschaft Flanderns, dass sie dort ihre künstlerische Heimat fand. 1994 gründete sie in Brüssel ihre Kompanie Damaged Goods, wofür sie bis heute Förderung bekommt – und in diesem Sinne gewissermaßen auch eine Belgierin in Berlin ist. Denn hier hat sie mit dem HAU Hebbel am Ufer ihre künstlerische Heimat gefunden. Demnächst bringen wir die dort vor 5 Jahren entstandene erfolgreiche Produktion Sketches / Notebook in einer ‘extended version’ noch einmal zurück auf die Bühne, flankiert von neuen Arbeiten und Kollaborationen des Ensembles von “Sketches / Notebook”. Einem Ensemble, wo belgische und deutsche Pässe die Minderheit ausmachen, aber Berlin als Arbeitsort uns alle verbindet. Willkommen in Supernova (7.-10. März im HAU).

Annemie Vanackere
Intendanz & Geschäftsführung HAU Hebbel am Ufer