Der flämische Künstler James Ensor spielt in der Geschichte der Kunsthalle Mannheim eine besondere Rolle. Mit einem Ankauf 1927 und einer Ausstellung 1928 war die Kunsthalle eines der ersten deutschen Museen, das den Maler als bedeutenden zeitgenössischen Ausnahmekünstler wahrnahm und feierte. Nun widmet die Kunsthalle Ensor erneut eine große Ausstellung, in deren Zentrum das Schicksal eines Bildes steht, das einst zur Sammlung des Museums gehörte: „Der Tod und die Masken“ wurde 1937 in der Kunsthalle von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt und gelangte 1939 in das Museum in Lüttich. Dass wir es nun in Mannheim temporär zeigen können, ist eine ‚kleine Sensation‘ und verdankt sich der Kooperationsbereitschaft der belgischen Kolleg*innen. 1956 wurde als Ersatz für das verlorene Bild das wunderbare „Stillleben mit totem Hahn“  von Ensor erworben, das thematisch einen weiteren Schwerpunkt in der Ausstellung setzt. Ergänzt wird die Schau durch den umfangreichen Grafikbestand des Künstlers in der Kunsthalle, darunter „Scènes de la vie du Christ“ und „La Gamme d‘ Amour“.

Dank der großzügigen und äußerst kooperativen Unterstützung zahlreicher belgischer Privatleihgeber und Museen – neben Lüttich ist den Institutionen in Antwerpen, Brüssel, Deurle, Ostende und Tournai zu danken – kann die Ausstellung auf zwei Geschossen unseres Jugendstil-Gebäudes den faszinierenden Kosmos des Ensor’schen Schaffens auffächern: von Masken- und Todesmotiven, Stillleben, Landschaften, Liebesgärten über Selbstbildnisse und christliche Themen bis zu seinen grafischen Experimenten. Doch Ensor malte nicht nur, er komponierte auch Musik und hinterließ wortgewaltige Texte, wovon sich die Besucher*innen in einer Hörstation überzeugen können. Und er hatte einen bisweilen skurrilen Humor, war Impulsgeber für andere Künstlerinnen und Künstler, nahm vielfach Aspekte der Moderne vorweg. Mit seinen karnevalesken Albträumen gab er Einblick in eine Welt im Umbruch, das macht sein Werk so zeitlos und gleichzeitig aktuell. Dies lässt sich an rund 60 Gemälden, 120 Arbeiten auf Papier und einigen Masken aus Ensors Besitz nachvollziehen.

Dr. Inge Herold, Kuratorin der Ausstellung und stellvertretende Direktorin der Kunsthalle Mannheim