Unser Newsletter für Mai 2020

Während die Corona-Pandemie das kulturelle Leben in seiner bisher gekannten Form lahmlegt, bleibt das Feld der Künste entschlossen großzügig. Denn viele Künstlerinnen und Künstler, Ensembles und Institutionen, die zurzeit gegen eine existenzbedrohende Ungewissheit ankämpfen, stellen Alternativen für die abgesagten Veranstaltungen bereit oder machen ihre Online-Archive für die Öffentlichkeit zugänglich.

Das enorme Angebot digitaler Kulturerlebnisse, das wir Ihnen in dieser Ausgabe vorstellen dürfen, spiegelt nicht nur die kreative Vielfalt einer Region wider, sondern beweist auch einmal mehr die große Relevanz des Kulturbetriebs überhaupt, der sich wie selbstverständlich, aus einer Grenzen sprengenden Kraft heraus, dem Publikum gegenüber aufrecht zu erhalten versucht.

Im vergangenen Sommer war das flämische Künstlerduo Robbert&Frank Frank&Robbert artist in residence bei Air Berlin Alexanderplatz. Der Holzkoffer, der die Künstler überall hin begleitet, wurde auch in Berlin mehrmals ausgepackt (siehe Bild oben). Er enthält ein Mantra, das die Welt bei jedem Erscheinen ein bisschen besser macht: „Verschwindet, Sorgen der Welt“. Wir hoffen, dass die hier nachfolgende Auswahl ebenfalls ein wenig zum Verschwinden der Sorgen beitragen kann. Unter diesem Link finden Sie den Newsletter mit Bildern.

Bildende Kunst

Einen unkomplizierten Zugang zur sogenannten Vlaamse Kunstcollectie, ein Zusammenschluss von fünf kunsthistorischen Museen Flanderns, bietet die Website Arthub Flanders. Über die Suchfunktion landet man direkt in den Schatzkammern des Königlichen Museum für Schöne Künste Antwerpen, des Groeningemuseum Brügge, des Museum für Schöne Künste Gent, des Museum M in Leuven und des Mu.ZEE in Ostende.

Eine womöglich noch größere Bildauswahl bietet die Website Art in Flanders, auch als Lukasweb bekannt, die circa 30.000 Bilder aus einer Vielzahl flämischer Sammlungen und Archive zum Download bereitstellt. In Antwerpen zeigen die städtischen Museen bereits seit einigen Jahren überzeugt, dass Kulturerbe auch digital und für die breite Öffentlichkeit zugänglich sein sollte: Auf der Website dams.antwerpen.be findet sich eine riesige Datenbank mit hochwertigen Bildern aus dem MAS, dem Museum Mayer van den Bergh, dem Rubenshaus und vielen anderen.

Die altniederländischen Maler, auch bekannt als Flämische Primitive, haben in Flandern ihre ganz eigene Online-Präsenz, wie auch die Wegbereiter der belgischen abstrakten Kunst. Flandern bietet ebenfalls einen Überblick über das gesamte Oeuvre von Pieter Bruegel, während uns das Kunsthistorische Museum Wien die zwölf Bruegel-Gemälde aus ihrer Sammlung auf der Website Inside Bruegel in erstaunlichen Close-ups näher bringt. Auch James Ensor, der flämische Expressionist avant la lettre, hat sein eigenes Online Museum. Zudem zeigt Arthub mehr als 700 seiner Werke in hoher Auflösung.

In diesem Jahr wird der 500. Geburtstag des wichtigsten Druckers und Verlegers des 16. Jahrhunderts, Christoph Plantin, gefeiert. Aus diesem Anlass zeigt das Museum Plantin-Moretus 14.000 Bilder seiner Holzschnitt-Sammlung in hoher Auflösung – ein Schatz an geschnitzten Tieren, Pflanzen, Fabelwesen und Emblemata, der zur kreativen Weiterverwendung einlädt. Hier oben im Bild: Ein Fuchs betrachtet einen nutzlosen, leeren Menschenkopf und ahnt, dass der innere Geist wichtiger ist als der äußere Behälter.

Im Stay at Home Museum, eine Initiative von VISIT Flanders, zeigt jede Woche ein/e KuratorIn oder MuseumsdirektorIn Werke flämischer Meister. Drei Folgen sind bereits erschienen: Durch das Rubenshaus führt uns dessen Direktor Ben van Beneden. Museumsdirektor Michel Draguet nimmt uns mit in den Bruegel-Raum des Museum der schönen Künste Brüssel und Till-Holger Borchert, Direktor des Museum Brügge, führt uns durch die „größte Jan-van Eyck-Ausstellung aller Zeiten“, Van Eyck. Eine optische Revolution, die am 1. Februar 2020 im Museum der Schönen Künste Gent eröffnet wurde.

Neben der Video-Tour hat das Museum auch den umfangreichen Audioguide zur Ausstellung auf Deutsch zum Hören und Nachlesen online gestellt. Des Weiteren ist der ausführliche und hochwertige Katalog, der beim Belser Verlag auf Deutsch erschienen ist, sehr empfehlenswert. Einen tieferen Einblick in van Eycks Oeuvre bietet auch die verblüffende Website Closer to Van Eyck mit detaillierten Nahaufnahmen aus verschiedensten Perspektiven sowie Infrarot-Fotografien aller von ihm bekannten Gemälde. Näher kann man den Werken auch im Museum nicht kommen.

Auch die zeitgenössischen Meister und Meisterinnen Flanderns sind online zu entdecken. Das Museum für Zeitgenössische Kunst in Antwerpen M HKA vereint auf seiner Website etwa mehr als 600 Arbeiten des vor Kurzem verstorbenen Künstlers und Visionärs Panamarenko. Das Museum ist auch, wie manch anderes flämische Museum, auf der niederländischen Plattform www.arttube.nl mit reichlich Video-Material vertreten und bietet zur laufenden Ausstellung von Els Dietvorst einen Blick hinter die Kulissen. Außerdem wird ihr Film The Rabbit and the Teasel (2014) von der Kunstzeitschrift HART vorübergehend online gezeigt.

Das Brüsseler Zentrum für Kunst und Medien Argos hat auf seiner Website einen TV-Kanal eröffnet und präsentiert jeden Freitag einen Film seiner Sammlung, der eine Woche lang frei verfügbar ist. Auch das Kunstzentrum Wiels zeigt mit Wiels from Home ein eigenes Filmprogramm. Wer das gute alte Kino vermisst, findet zurzeit alte restaurierte Kurzfilme aus der riesigen Schatztruhe des Königlichen Filmarchivs CINEMATEK sowie eine Vielzahl Interviews mit Filmemachern und Experten auf dessen Youtube-Kanal.

Unter dem Nenner Bozar at Home stellt das Brüsseler Kultur- und Kunstzentrum, das gerade eine große Übersicht der Arbeiten Keith Harings zeigt (in Zusammenarbeit mit u.a. dem Museum Folkwang in Essen), Online-Führungen zur Verfügung, sowie ein eigenes Kino-Programm mit dem Namen Sofa Screenings, einen Denkraum und regelmäßige Live-Streams von Konzerten. Darüber hinaus erschließt Bozar eine Reihe von Performances, die 2017 im Rahmen der Ausstellung Yves Klein. Theatre of the Void aufgeführt wurden, darunter das wunderliche HORSE. A Man A Woman A Desire for Adventure von Miet Warlop. Es dauert kaum fünf Minuten, aber die vergisst man nie. Aus dem Projekt Mondo Cane von Jos de Gruyter und Harald Thys, das für den belgischen Pavillon der letzten Venedig-Biennale entwickelt wurde und zurzeit im Bozar ausgestellt ist, wird wöchentlich eine Puppenfigur auf dem Bozar-Blog vorgestellt, am besten mit einem ergänzenden Besuch der Projektwebsite www.mondocane.net zu genießen.

Das Museum M in Löwen ist auf vielen Kanälen gleichzeitig präsent. Man kann sich virtuell in die Ausstellungsräume begeben und entdeckt dort die Skulpturen der im frühen 16. Jahrhundert weltberühmten Holzschnitzer-Dynastie Borman and Sons, oder die immer gut gelaunten Gemälde von Nel Aerts. Das Museum hat zudem eine brandneue Zeitschrift, die zwei Mal jährlich erscheint. Ausgewählte Artikel sind hier auf Englisch verfügbar. Neben einer großen Bandbreite an Videos auf Youtube, ist auch die Mini-Podcast-Serie Klingt als Kunst entdeckenswert. Anhand verschiedener Beschreibungen faszinierender Kunstwerke lädt das Museum dazu ein, sich zuerst über das Gehör ein Bild ihrer Sammlung zu formen, bevor man die eigentlichen Arbeiten dann auch visuell entdeckt. Alles Weitere für den virtuellen Besuch findet man hier.

Literatur

In seinem Bestseller De Bourgondiërs erzählt Bart Van Loo die Geschichte Burgunds wie ein sich immer weiter zuspitzendes Drama in 1111 Jahren und einem Tag. Mitte März ist das Buch in der Übersetzung von Andreas Ecke unter dem Titel Burgund. Das verschwundene Reich beim Verlag C.H.Beck erschienen. Wir hoffen, dass die im März geplanten Buchvorstellungen nachgeholt werden können. Bis es so weit ist, können Sie den Autor in einem kurzen Video kennenlernen: Vor sechs Jahren porträtierte ihn die Regisseurin Ibbe Daniëls an seinem Wohnort in einer Reportage, die humorvoll mit den Klischees dieses Genres spielt.

Musik

Das Symfonieorkest Vlaanderen hält zusammen und schickt einen sorgsam montierten Gruß mit Antonín Dvořáks Aus der Neuen Welt in die surreal anmutende Welt von heute.

Pianistin und Organistin Els Biesemans, die im Mai einige Konzerte in Deutschland hätte spielen sollen, gab Ostermontag ein wunderbares Konzert auf der Orgel von Collegio di Papio, Ascona, mit Werken von u.a. Bach, Pachelbel und Beethoven, das zu unserem Glück gefilmt wurde.

Seit dem 18. März schickt das Concertgebouw Brugge täglich ein Mini-Konzert von Pianist Daan Vandewalle in die Welt. Caress nennt Vandewalle das Projekt, das uns mit kurzen Stücken aus einem breiten Repertoire zwischen Brahms und Debussy berühren will. Auch Elise Caluwaerts möchte die positive Kraft der Musik nutzen und der Welt über ihre Facebook-Seite allabendlich beim Einschlafen helfen. Besonders diszipliniert und publikumsnah zeigt sich Jazzpianist Jef Neve, der sich täglich live einem unsichtbaren Publikum zuwendet: Pünktlich um 17:30 Uhr spielt er zu Hause ein Mini-Konzert, das über Facebook ausgestrahlt wird.

Einen anderen Weg geht die seit einigen Jahren in Deutschland wohnende Sopranistin Irene Carpentier. Sie findet die musikalische Begegnung nun in Form von zweiwöchentlichen Interviews, die sie (auf Deutsch) mit KollegInnen aus der Musikwelt führt. Um den Livestream zu sehen, können Sie sich über das Kontaktformular ihrer Website anmelden. Am 14. Mai spricht Carpentier mit dem Kirchenmusikdirektor i. R. Ulrich Stötzel, am 29. Mai mit Altistin Evelyn Krahe und am 18. Juni mit Opernsängerin Maria Klier, jeweils um 10:00 Uhr.

Das Ensemble B'Rock Orchestra, das eigentlich im Juni bei den nun verschobenen Musikfestspielen Potsdam Sanssouci hätte auftreten sollen, ist auf der Plattform Podium aan huis mit einer aufregenden Ausführung von Antonio Vivaldis Die vier Jahreszeiten präsent. Das Konzert mit dem Titel Viva Vivaldi!, unter der Leitung von Dmitry Sinkovsky, wurde 2018 im Concertgebouw Brugge von Beeldstorm aufgenommen und ist bis zum 31. Juni zu erleben.

Collegium Vocale Gent hat sein am stärksten visuell geprägtes Projekt online gestellt: Der Film Lebenslicht, von Clara Pons für die Musik von Johann Sebastian Bach kreiert, war ursprünglich und mehrmals (auch in Deutschland) als Filmkonzert zu sehen und entfaltet seine Wirkung auch wunderbar zu Hause auf dem Bildschirm.

Das Ensemble für neue Musik SPECTRA stellt den Komponisten Daan Janssens ins Rampenlicht und zeigt zwei seiner deutschsprachigen Stücke. Für die Vorstellung Menuet hat Janssens sich 2017 mit Louis Paul Boons gleichnamigen Roman auseinandergesetzt. 2018 bearbeitete er Schuberts Liedzyklus Eine schöne Müllerin und verband diesen mit Texten des portugiesischen Dichters Fernando Pessoa.

Auf der Plattform Evil Penguin TV finden sich gegen eine kleine Bezahlung weitere Konzerte aus den Bereichen Jazz und klassische Musik, sowie Musiktheater – darunter die 2017 entstandene Produktion Revelations, für die sich Kompoinist Wim Henderickx auf die Visionen der mittelalterlichen Mystikerin Hadewijch basierte.

Die interdisziplinäre Produktionsplattform ChampdAction hat 2014 eine App entwickelt, die ein fortwährendes Zusammenspielen der Komposition In C (1964) von Terry Riley ermöglicht. Mithilfe dieses Online-Instruments hat ChampdAction nun gemeinsam mit dem HERMESensemble und einer Gruppe ausgewählter MusikerInnen eine neue Aufnahme des für die minimalistische Musik grundlegenden Stückes geschaffen. Diese Version hatte gestern am 28. April 2020 unter dem Titel Social Music Making on a Global Scale in Pandemic Time ihre Premiere im Klassikradio Klara und ist nun hier nachzuhören (ab 37'53").

Unter dem Motto The Show must go ONline haben sich verschiedene Konzertveranstalter aus der Pop- und Rockwelt zusammengetan, um von Zuhause aus die Lücke der fehlenden Sommerfestivals ein wenig zu schließen: Artists Unlimited heißt die Initiative, die am vergangenen Wochenende die erste Ausgabe ihres Live Stream Festivals ausstrahlte; weitere werden folgen. Auch die Website Stay Home Festival wird fortwährend ergänzt. Und während das Sonic City Festival in Kortrijk einen Rückblick auf seine letzte Saison ermöglicht, stellt das Ancienne Belgique, eines der wichtigsten Konzerthäuser Flanderns für Rockmusik, eine Vielzahl von Aufnahmen vergangener Konzerte online: Auf ABtv findet man neben einer Reihe internationaler Stars auch die Crème de la Crème Flanderns, u.a. ein großartiges Konzert von Arno, der leidenschaftlichste Koloss der belgischen Rockmusik.

Empfehlenswert sind natürlich auch einige Neuerscheinungen, die online zu erwerben sind, so zum Beispiel das neue Album Oh Paradise der Rockband Mintzkov, für dessen Song Unlike The Sun das Kollektiv Hanafubuki gerade noch vor Beginn des Lockdowns einen wunderschönen Video-Clip aufgenommen hat. Flying Horseman begeistert mit ersten Single-Auskopplungen seines bald bei Unday Records erscheinenden Albums Mothership. Sein energischer Song Set Reset vermittelt genau die Haltung, mit der sich die bedrückende Erfahrung einer Krise in hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung verwandeln lässt.

Anfang April erschien bij Cypres Records die neue CD des Huelgas Ensemble. Das auf die franko-flämischen Polyphonie spezialisierte Ensemble, das nächstes Jahr sein 50-jähriges Jubiläum feiert, lässt uns mit der Erstaufnahme eines noch unveröffentlichten Requiems von Simone de Bonefont aus dem Jahr 1556 in den Genuss einer Weltpremiere kommen.

Auch graindelavoix, das etwas jüngere aber ebenfalls weltberühmte Vokalensemble, hat nicht gezögert, sein neues Album in dieser schweren Zeit herauszubringen. Die Aufnahme der vollständigen Tenebrae Responsoria von Carlo Gesualdo aus dem Jahr 1611 auf drei CD’s wurde von der Berliner Zeitung begeistert als „Quarantäne-Tipp“ empfohlen.

Architektur

Das Flanders Architecture Institute hat sein digitales Angebot auf eine Seite zusammengefaßt: Über VAi@Home gelangt man zu einer Reihe von Videos, virtuellen Ausstellungsbesuchen und kann man in die Highlights der Sammlung eintauchen. Thematisch zur aktuellen Situation passend, hat sich das VAi außerdem in seinem Archiv auf die Suche nach vorbildhaften Beispielen von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern begeben, und fragt sich auf seiner Themenseite, was ein gutes Gebäude für das Gesundheitswesen ausmacht.

Wer davon noch mehr möchte, findet bei Bozar einige Lesungen prominenter Gäste zum Thema Architektur, wie etwa David Chipperfield, der über das Neue Museum in Berlin spricht.

Tanz und Theater

Muziektheater Transparant hätte Ende Mai bei den KunstFestSpielen Herrenhausen die Vorstellung Nightschade: Aubergine spielen sollen. Darin führt die Sopranistin Claron McFadden eine vergleichende Studie der Kulturen anhand des Stellenwerts der Aubergine durch. Der Termin wurde nach Oktober verschoben, aber auf der Plattform Podium aan Huis, die eine Reihe von Vorstellungen und Konzerten aus Flandern zeigt, ist das Stück vorübergehend zu sehen.

Auf der selben Plattform zeigt man auch die englischsprachige Vorstellung Conversation with the rain von Stijn Devillé, Intendant des Stadttheaters von Löwen Het nieuwstedelijk. In dem Stück sucht ein Paar nach dem Tod ihrer Tochter den Neuanfang in Singapur, wo der Regen plötzlich zu reden beginnt. Ebenfalls sehr sehenswert ist das Tanzstück Tornar von Choreograf und Tänzer Seppe Baeyens (Ultima Vez), das die Geschichte von Menschen erzählt, die nach einem Tornado ihre Gemeinschaft wieder aufzubauen versuchen. Podium aan Huis stellt auch das Debüt von Ultima Vez, What the body does not remember (1987) online zur Verfügung, das den Choreografen Wim Vandekeybus nicht nur weltbekannt machte, sondern inzwischen auch zu den Klassikern des modernen Tanzes gehört. Zu sehen ist die Wiederaufnahme aus dem Jahr 2014, die gemeinsam mit dem Ictus Ensemble aufgeführt wurde. Das Künstlerduo Robbert&Frank Frank&Robbert präsentiert seine zuletzt vom Potsdamer Festival Unidram gezeigte Vorstellung Don’t we deserve grand human projects that give us meaning? auf derselben Plattform, deren Angebot täglich wächst.

Frank Vercruyssen vom Theaterkollekitv STAN hat im Lockdown eine Vorstellung aus dem Jahr 2003 aufgegriffen. Vraagzucht (auf Englisch Questionism) nimmt die legendären Fragebogen von Max Frisch zum Ausgangspunkt. Vercruyssen trägt den englischsprachigen Text aus seinem Wohnzimmer als dreiteilige Lesung vor.

Vom Toneelhuis in Antwerpen ist die englischsprachige Vorstellung Monsieur Linh and his Child, Guy Cassiers' Bearbeitung der gleichnamigen Novelle von Philippe Claudel. Das zum Anschauen benötigte Passwort lautet Huistoneel. Von Benjamin Verdonck ist die kurze Vorstellung one more thing zu sehen, ein Miniaturtheaterstück mit einem variablen Soundtrack.

Theatermacher und bildender Künstler Kris Verdonck (A Two Dogs Company) hat drei Vorstellungen zugänglich gemacht: Conversations (at the end of the world), basierend auf Texten des avantgardistischen Autors Daniil Charms (auf Niederländisch mit englischen Untertitel), UNTITLED und END (auf Englisch), das die finalen Phasen einer menschlichen Gesellschaft in zehn Szenen darstellt.

Aus dem Oeuvre von Jan Fabre ist Vieles über das Produktionshaus Compagnie des Indes zu entdecken. Das 1984 von Alain Platel gegründete Ensemble les ballets C de la B zeigt aktuell die Aufnahmen von C(H)OEURS (2012) und En avant, marche! (2015), zwei Vorstellungen die in Deutschland große Erfolge feierten. Peeping Tom hat seine Vorstellung A Louer aus dem Jahr 2014 zu einer Mini-Serie auf Youtube umgearbeitet und stellt zudem die Aufnahmen ihrer Trilogie Le Jardin (2002), Le Salon (2004) und Le Sous Sol (2007) zur Verfügung.

Entdeckenswert ist auch der junge Choreograf Alexander Vantournhout. Sein Kurzfilm Screws & Stones, gefilmt in La Concièrgerie in Paris, und die Vorstellung Raphaël, die er zusammen mit Bauke Lievens kreierte, werden kostenlos auf der Plattform Podium aan Huis angeboten.

Anne Teresa De Keersmaeker, seit über 30 Jahre eine der einflussreichsten Choreografinnen der Welt, hält ihr Oeuvre durch systematische Wiederaufnahmen lebendig. So wären im April bei den Berliner Festspielen die Vorstellungen Rain und Achterland zu sehen gewesen. Auf der Website ihrer Kompanie verschafft die Choreografin nun aber auch Gelegenheit zu einem Online-Rückblick. Weit zurück in die Zeit führen Walter Verdins Videoadaption von Ottone Ottone (1988), eine Choreografie zu Monteverdis L’Incoronazione di Poppea, sowie der kurze Dokumentarfilm Het gerucht: Rosas dans Rosas von Stefaan Decostere, der anhand von Probenmitschnitten und Interviews mit einer 23jährigen De Keersmaeker und Komponist Thierry De Mey den Entstehungsprozess von Rosas danst Rosas (1983) zeigt – das Stück, das ihr den internationalen Durchbruch bescherte. Ebenfalls zu sehen sind die Aufnahme der Uraufführung von En atendant (2010), eine tänzerische Begegnung mit der auf Dissonanzen basierenden polyphonen Musik des Ars Subtiliors, und das mit Boris Charmatz entwickelte Duett Partita 2 (2013), das die gleichnamige Komposition von Johann Sebastian Bach mit nahezu schwebenden Körpern ergänzt. Einsichten in die Beweggründe der Choreografin verrät eine Lesung (auf Französisch mit englischen Untertiteln), die sie 2019 im Pariser Collège de France zu ihrem Konzept der Choreografie und ihrem Weg als Künstlerin gab.

Das Opera Ballet Vlaanderen hält die Türen im Netz ebenfalls weit offen und stellt aktuell auf seiner Website sieben Inszenierungen online. Bis zum 30. Juni hat auch das Königliche Brüsseler Opernhaus De Munt sechs Opern online gestellt.

Für Kinder und Jugendliche

Mit einer Reihe von DIY-Videos hilft das Antwerpener Modemuseum MoMu Kindern von 8 bis 12 Jahre dabei, im Lockdown kreativ zu bleiben und selber Schlüsselhänger, Armbänder oder Handpuppen zu basteln.

Jeder der älter als 6 Jahre ist, findet bei Zonzo Compagnie, Spezialisten für innovative Musikprojekte, zwei anregende Vorstellungen, die komplett auf Video und ohne Sprachbarrieren zu erleben sind. In dem faszinierenden Stück 3ACH erkunden zwei Geigerinnen die Musik von Johann Sebastian Bach im Dialog mit einem audiovisuellen Spektakel. In der Vorstellung Thelonious macht das Jazztrio De Beren Gieren die eigenwillige aber höchst tanzbare Jazzmusik von Thelonious Monk mithilfe von Video-Animationen für Kinder zugänglich.

Das Tanzstück Popcorn von Randi De Vlieghe & fABULEUS besitzt die Intensität eines Popkonzerts und richtet sich an Kinder und Jugendliche ab 10 Jahre.

Für Kinder ab 4 Jahre hat das Figurentheater Froe Froe eine Vorstellung im Angebot, die etwas verrückt ist und bei der Kinder ihre ersten Wörter auf Niederländisch lernen können, z.B. eendje (kleine Ente), huis (Haus), van mij (meins) und amai (amai): Bambole.